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Schleef-Orte: Kaffeehaus Kolditz

Kaffeehaus Kolditz Hüttenstr./Bahnhofstr.

Kaffeehaus Kolditz Hüttenstr./Bahnhofstr. (Foto: privat)

Kaffeehaus Kolditz um 1900

Das Konditorei-Kaffeehaus Kolditz wurde am 4.11.1888 durch Edmund Kolditz eröffnet. Die Inneneinrichtung im Wiener Kaffeehaus-Stil von 1935 hat sich bis heute erhalten und steht unter Denkmalschutz.
Das Kaffeehaus wird heute in der 5. Generation betrieben.

www.kaffee-kolditz.de

 

 

Das Kaffeehaus Kolditz wird in Einar Schleefs Werken oft erwähnt. Es war Treffpunkt der Männerrunde von Einars Vater Willy Schleef („Vatis Runde“).

Hier finden regelmäßig die Mitgliederversammlungen und Veranstaltungen des Einar-Schleef-Arbeitskreises statt.

An diesem Tisch tagt der Vorstand des Einar-Schleef-Arbeitskreises. Vor 50 Jahren könnte am selben Tisch "Vatis Runde" Skat gespielt haben.

An diesem Tisch tagt der Vorstand des Einar-Schleef-Arbeitskreises. Vor 50 Jahren könnte am selben Tisch „Vatis Runde“ gesessen haben. (Foto: privat)


Das Kaffeehaus Kolditz im Werk Einar Schleefs:

Kolditz das 1. Haus am Ort. Gemischtes Eis und Parteiorgan …
Er bedient, seine Frau im Laden. Kuchen und Preise. Kleine Stücke, weils schmeckt. Muß eine Kostbarkeit bleiben.

(Schleef, Einar, Gertrud, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1980, S. 25)



… ob wir Kaffee trinken. Leider nicht gebacken, also Café Kolditz. Betrete den Laden nicht, Sperlingen rein, ich draußen gestanden, mein Mittwoch, nie mit, auf den Kalender gesehen. Vatis Runde: Kühnau, Herr Rittel, der Kreissekretär, ein Polizeioffizier in Uniform, die nagelneue Mütze am Ständer, tatsächlich im Nazischnitt. Der Thalysiamensch rauchte Intershop, 2 andere Herren, kannte ich nicht. Doktor Sauerbrei und der Tierarzt Tische getrennt, grüßten durch die Gardine, mir sehr peinlich. Der Zahnarzt hob die Hand, unmißverständlich, nur eine Geste. Heime hockt sein gefärbtes Aas. Kühnau auf der Sofakante, die Holztäfelung unverändert, eingelassenes Glas, 50 Jahre der Ventilator, Decke gestrichen, in Sangerhausen Stücke Wien.
(Schleef, Einar, Gertrud, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1980, S. 148)

 

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Elfriede Jelinek ist Ehrenmitglied des Einar-Schleef-Arbeitskreises!

Die österreichische Schriftstellerin und Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ist seit vielen Jahren Mitglied im Einar-Schleef-Arbeitskreis Sangerhausen. Die Mitgliederversammlung  2016 hatte den einstimmigen Beschluss gefasst, Elfriede Jelinek die Ehrenmitgliedschaft im Arbeitskreis anzutragen.

Elfriede Jelinek antwortete dem Arbeitskreis mit einem Text, in dem sie über das Verhältnis zwischen sich und Einar Schleef schrieb, über das Reden, das Verstehen und das Schweigen. Sie fasste die Annahme der Ehrenmitgliedschaft in die Worte:

„Ich bedanke mich bei der Schleef-Gesellschaft für die Ehre,
diese Verschwiegenheit fortsetzen zu dürfen.“

Der vollständige Text von Elfriede Jelinek (pdf):

Einar Schleef und ich hatten die Möglichkeit zu sprechen, jeder strengstens für sich;
miteinander, das ging kaum je, und das bedeutet, daß keine Antwort, die einer dem andern
gegeben hat, etwas mit Reden und Hören zu tun hatte. Es gab nur ein Worüber (darüber
konnten wir rudimentär sprechen), aber nicht ein Drumherum eines Dialogs. Das ist auf je
einer andren Schiene abgelaufen. Das Verstehen zwischen uns war da und gleichzeitig
nicht da, denn jeder von uns hat zu sich selbst gesprochen, und der andre hat es dann
aufgenommen, vielleicht, so wie ich ja nicht über etwas schreiben kann, sondern höchstens
ein Drumherum schaffen, um einen leeren, blinden Fleck herumkritzeln wie in einem
Malbuch, in dem es aber nichts auszumalen gibt, denn man sieht nichts, was man sich
ausmalen könnte. Nichts ist vorgezeichnet, und auch das, was leergeblieben ist, scheint
sich gegen jeden Eingriff von außen zu wehren. So war es mit den Worten. Wenn wir
einander getroffen haben, Schleef und ich, selten, ein paarmal, nicht öfter, dann sind uns
die Worte ausgegangen in dem Sinn, daß sie von uns weggegangen sind und woanders
gewartet haben, daß wer etwas aus ihnen macht. Man hat ihre Ungeduld förmlich gehört.
Was Schleef gemacht hat, wissen wir, was ich für ihn gemacht habe, das wissen wir auch,
nur durch ihn. Man kann es zwar nachlesen, aber es ist dieses vollgekritzelte Malbuch
ohne etwas. Ein Mensch, der stottert, spricht nicht gern. Ein Mensch, der nichts zu sagen
hat, wenn er redet (wenn er schreibt, manchmal), ich nämlich, redet auch nicht gern. Uns
sind im Sprechen die Worte ausgegangen, vielleicht hatten sie Spaß, ich hoffe es, sie sind
nie zurückgekommen, um zu berichten; doch immer der, der jeweils mehr geschwiegen
hat, hat mehr im Miteinanderreden verstanden. Es mußte ein Verständnis schon
dagewesen sein, sonst wäre kartonhafte Leere, sonst wären leere Kartons da gestanden,
das Verständnis konnten wir hervorziehen wie Pistolen, die aufeinander gezielt haben.
Und jetzt, da Schleef tot ist und ich alt bin, gibt es keine Möglichkeit mehr zu beweisen, ob
wir geschwiegen haben, weil wir nicht sprechen konnten. Oder weil wir es konnten. Das
Schweigen war möglich, weil das Sprechen möglich war. Im Monolog über meinen Vater
(„der Wanderer“ in „Macht nichts“, ein Projekt, das Schleef aus gesundheitlichen Gründen
eine Woche vor der Uraufführung aufgeben mußte), den ich nur auf Video gesehen und
gehört habe, ohne ihn, es war schließlich immer, schon zuvor, alles ohne ihn, also nur mit
ihm, aber bei mir war es nie: ohne mich! Also: Da bin ich auch nicht dabei! Ja, klar, ich bin
ja nur selten bei mir, denn dort gefällt es mir gar nicht, und ihm hat es dort genausowenig
gefallen; von diesem Monolog also, den er selbst gesprochen hatte, ist er von dem Teppich,
auf dem er stand (ich bin auf dem Teppich geblieben, er nicht), weggetaumelt und gegen
die Wand förmlich gestürzt wie das erschöpfte Insekt, das er war oder in ihm war. Jeder
mußte gesehen haben, wie krank er war. Ich habe es gesehen, später, nach seinem Tod, als
ich es schon wußte. So war vielleicht das Sprechen zwischen uns. Wir hätten nicht
sprechen können, hätten wir nicht verstanden. In diesem Fall zu spät. Ich bedanke mich
bei der Schleef-Gesellschaft für die Ehre, diese Verschwiegenheit fortsetzen zu dürfen.

Elfriede Jelinek

Wien, 3.11.2016

Ehrenmitgliedschaft Elfriede Jelinek

Haus der Großeltern

Katharinenstraße 3, Geburtshaus von Gertrud. Zustand 2013. (Foto: privat)

In diesem Haus lebten Gertruds Großeltern mütterlicherseits, der Gerichtsschreiber und die Gerichtsbotin Müller.
Ihre Tochter Lydia („Oma Hoffmann“, * 23.12.187?, † 25.06.1950) war verheiratet mit Richard Hoffmann („Opa Hoffmann“, * 28.08.1875, † 07.12.1962).
Gertrud wurde 1909 in diesem Haus geboren. Sie hatte 8 Geschwister, von denen drei bereits als Kinder starben.

Seit 1988 wird das Haus nicht mehr bewohnt und verfällt.


Die Katharinenstaße im Werk Einar Schleefs:

Alle Häuser der Katharinenstraße, außer Bauer Arnold, klein, alt, primitiv, die Wohnungen ähnlich eingerichtet. Verlohnte sich der Kampf meiner Schwester ums Haus. Tür, Tisch, Sofa. Am Straßenfenster hockte der Mann, die Frau guckte den Hof an. Die Kriegstrophäe zierte jede Kommode.
(Schleef, Einar, Gertrud, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1980, S.203)

Die Abende bei Hoffmanns dagegen waren Familie. Bärbels Kaufmannsladen, scheinbar von Mutters Geschwistern, uralt mit all dem alten Zeug, Dosen, Förmchen, die Tante bastelte oder mit Bärbel anfertigte, auf jeden Fall war es bei Hoffmanns gemütlicher als bei uns und unten wohnte Opa. Der saß tief in seiner feuchten dunklen Stube ohne Licht, schmauchte, der Qualm so dick, daß man meinte zu ersticken, aber in diesem Qualm lebte mein Opa und paffte und paffte den ganzen Tag, manchmal den Brustlatz voll braunem Sabber, Schmerzen, Husten iwo, Opa paffte bis er nicht mehr paffte und tot war.
(Schleef, Einar, Tagebuch 1953 – 1963 Sangerhausen, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2004, S. 102)

(Gertrud schreibt am 5.2.1988 an Einar:
Tante Trude ist vor einem 1/2 Jahr ausgezogen … Wir haben deshalb so einen Trasch, weil das Grundbuch noch auf meiner Eltern Namen steht. Jetzt soll es abgerissen werden und wir sollen unsere Genehmigung geben. Wenn wir nicht einwilligen, müssen wir den Abriß bezahlen
5-7000 M. … Die Stadt dringt darauf, der Plan ist schon lange fertig. … Da soll ein großes Haus hin.
(Schleef, Gertrud / Schleef, Einar, Briefwechsel 2. 1977 – 1990, hg. v. Susan Todd und Hans-Ulrich Müller-Schwefe, Theater der Zeit, Berlin 2011, S. 282)

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Schleef-Orte: Bahnhof Sangerhausen

Am 07.10.1963 wurde das Bahnhofsgebäude eingeweiht. Der Vorgängerbau wurde am 07.04.1945 durch Bomben zerstört.  In der Eingangshalle befindet sich an der Wand gegenüber dem Haupteingang ein Mosaik von Wilhelm Schmied. Schmied leitete den Malzirkel (Zirkel für bildnerisches Volksschaffen) des Thomas-Münzer-Schachts, den Einar besuchte.

Bahnhof Sangerhausen nach der Renovierung 2016 (Foto: privat)

Die Deutsche Bahn hat das Bahnhofsgebäude an die Städtische Wohnungsbaugesellschaft (SWG) Sangerhausen verkauft. Nach einem grundlegenden Umbau sind dort seit September 2016 die Stadtbibliothek, die Touristinformation, ein Buch- und Zeitschriftenladen sowie das Bürgerbüro untergebracht. Eine Besichtigung z.B. des Wandmosaiks  von Einar Schleefs Zeichenlehrer Wilhelm Schmied ist wieder möglich.

Mosaik von Wilhelm Schmied (Detail) in der Bahnhofshalle (1963). „… über allem das Mosaik, die lachende Arbeiterklasse, samt Bauernpack und Rosengedöns.“    (Einar Schleef, „Elternhaus“ in „Mooskammer“, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2003, S.41)


Der Sangerhäuser Bahnhof im Werk Einar Schleefs:

Gertrud hört in ihrem Haus oft die Lautsprecherdurchsagen vom Bahnhof

 Hupt was. Hör nichts. Sicher der Bahnhof. Nickel sein Leinefelde Leinefelde. Stört tagtäglich. Schon ermahnt, könnes nicht lassen, jeder höre ihn gern. Doch zum Männerchor Brandrain wandern.
(Schleef, Einar, Gertrud 2, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1984, S. 328 )

Als du aus dem Haus ohne Gruß, hat das weh getan, mich schnell angezogen, zum Bahnhof, bin den Personenzug viermal auf und ab. Die Dame von der Aufsicht kannte mich, fragte, Sie suchen wohl jemand. Ja meinen Sohn. Der saß im Eilzug, vor paar Minuten raus. Da kann ich am Personenzug hin und her rasen. Der Fall ist erledigt.
(Schleef, Einar, Gertrud, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1980, S. 42)

Leinefelde. Die Stimme mahnt, mich aufmachen, die andere Richtung suchen. … Bahnhof schweigt. Verspätung. Dieser Zug wird nicht eingestellt. Für mich die Durchsage angeordnet. Ob er fährt. Mich ans Gleis aufmachen. Im Regen, im Matsch längs des Bahndamms laufen. Schotter. … Der Bahnhof, keine Stimme zu hören. 10 Minuten zu spät. Aus der Freiheit ausgeschnitten, der Fahrplan irgendwo. Nur finden, such doch. … Leinefelde Leinefelde. Die Stimme hat ausgesetzt.
(Schleef, Einar, Gertrud 2, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1984 , S. 38)

Ist der Durchgehende schon da Leinefelde. In diesem Jahr Gertrud hat ihn der Fahrplan nicht vorgesehen. Viele Züge gelöscht. Der ist angemeldet. Bin den MTS Berg hoch vorbei am kleinen Herrn Großpietsch, Poliklinik riefs: Leinefelde. Wos Schild bleibt. Wülste fort. Muß Umweg fahren Magdeburg Erfurt. Keine Einfahrt, was passiert, Schneewehen steckengeblieben. Wer da umsteigen möchte. Er kommt nicht. Ja warum rufen Sie ihn jedesmal aus. Das ist Gewohnheit. Lache mich tot. Jede Nacht das Gebrüll. Beschwert sich keiner. Seit vorigem Jahr ist der Fahrplan neu. Die Freiheit tats vermelden. …Welche Züge fahren nicht. Halbe Ration. Vorigen Winter dasselbe. … Von der Bahnsteigkante zurücktreten.
(Schleef, Einar, Gertrud 2, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1984, S. 40)

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Schleef-Orte: Familiengrab

Blumen auf Schleefs Grab zu seinem 15. Todestag (Foto: privat)

Einar Schleef ist am 21.07.2001 in Berlin gestorben und am 15. August in Sangerhausen in der Familiengrabstätte beigesetzt worden.

Neben ihm ruhen seine Eltern:

Wilhelm (07.07.1908 – 01.05.1971) und Gertrud Schleef (18.04.1909 – 27.08.1993)

Die Grabplatte trägt als Inschrift ein Zitat aus Novalis‘ „Heinrich von Ofterdingen“:

„… und er sah nach Thüringen, welches er jetzt hinter sich ließ mit der seltsamen Ahndung hinüber, als werde er nach langen Wanderungen von der Weltgegend her, nach welcher sie jetzt reisten, in sein Vaterland zurückkommen, und als reiste er diesem eigentlich zu.“

Letzte Ruhestätte für Wilhelm, Gertrud und Einar Schleef (Foto: privat)

Das Familiengrab befindet sich auf dem Friedhof Sangerhausen, Abteilung 11.
Um den Weg dorthin zu finden, orientieren Sie sich bitte auf dem Plan an der Informationstafel  „Persönlichkeiten auf dem Friedhof“ des Geschichtsvereins Sangerhausen vor der Trauerhalle.


Birgit Lahann:
In deinen Wagen springe ich, Sturm. Einar Schleefs Begräbnis (Auszug)

Die Luft steht still. Die Sonne brütet. Fast 40 Grad im Schatten. Im Blumenladen am Friedhof von Sangerhausen gehen erst die weißen Rosen aus und dann die weißen Lilien. Totengrüße für Einar Schleef.

Wir gehen gleich zum Grab. Immer geradeaus und dann links. Da steht im Schatten der Scheinakazie der Sarg über der Grube. Eine Kiste aus hellem Holz. Ganz schlicht. Ganz pur. Rohmaterial. Wie Schleef das liebte. Ein alter Freund tritt ans Grab. Der katholische Geistliche Klemens Niermann aus Ibbenbühren. Er kenne Einar seit 1965, sagt er. Nein, er wolle ihn nicht in eine christliche Schublade legen, aber der Verstorbene habe ihm oft von seinem Respekt erzählt, den er vor Jesus hatte und den Propheten. Und er liest aus dem Buch Jeremia: Das Wort des Herrn erging an mich: Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen…

Ich denke an Schleefs Mutter. Gleich hier, neben seiner frisch ausgehobenen Grube, liegt sie. Gertrud Schleef. Und sein Vater Willy an ihrer anderen Seite. Begraben im blaugrauen Anzug mit Schlips. Vater guckten noch die Haare aus dem Sarg, erzählte er einmal, weil Mutter ihm ein Büschel abgeschnitten hatte. Für den Sohn. Als Erinnerung. Und was trägt Einar Schleef?

Er hatte über seine Mutter, diese selbstbewusste Proletarierin, einen wahnsinnigen Roman geschrieben. Hat sich in ihr Hirn eingenistet, hat ihre Gedanken als rasenden Monolog gedacht, hat alles aus ihrem Kopf herausgeschossen. Weil er wissen wollte: Wer bin ich eigentlich? Weil er sich sein Unbewusstes bewusst machen wollte. (…)

Ja, Schleef fuhr wie Sturm in die Kunst hinein, in die Literatur, in die Dramen. Fuhr jede Konvention zu Schrott, deflorierte die Bürgerlichkeit. Bis zur Schmerzgrenze wühlte er in Wörtern und zog ihre Urbedeutung ans Licht.

(In: Gerecke, Gabriele / Harald Müller / Hans-Ulrich Müller-Schwefe (Hg.),  Einar Schleef. Arbeitsbuch, Verlag Theater der Zeit, Berlin 2002,  S. 232 f)

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Schleef-Orte: Wohnhaus

Wohnhaus Mogkstraße

Wohnhaus der Familie Schleef von 1949 bis 1993 in der Mogkstraße 24, Sangerhausen (Altes Foto)

 

 

Bei der ersten Bombardierung des Bahnhofs am 22. Februar 1945 wurden auch Wohnhäuser in der heutigen Ernst-Thälmann-Straße und in der Mogkstraße zerstört. Das Gaswerk gegenüber der Einfahrt in die Mogkstraße wurde ebenfalls schwer getroffen. Auf einem der Trümmergrundstücke in der Mogkstraße erbaute Willy Schleef das Wohnhaus für seine Familie.

Das ehemalige Wohnhaus der Familie Schleef befindet sich in Privatbesitz. Es kann nicht besichtigt werden.

 

 

 


Das Wohnhaus in der Mogkstraße im Werk Einar Schleefs:

 

1949 zogen wir in unser neues Haus. Das Trümmergrundstück. Preise, Urkunden, Kränze mitgeschleppt. Der Krieg war zu Ende. Meiner fing an. Nie aufgehört. Willy tobte, zerriß mein Zeug, hörst du, ich sage die Wahrheit.
(Schleef, Einar, Gertrud, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1980, S. 97)

Daß ich mich immer noch weigere, mein Haus abzuputzen, das Schandfleck der Straße.
(Schleef, Einar, Gertrud 2, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1984 , S. 620)

1990
Und da stand ich wieder, nach 14 Jahren, vor unserem Haus, meine Mutter oben hinter der Gardine, ich mußte lange klingeln, da stand ich wieder, 20 Jahre bist du nicht zu Hause gewesen, unterbrach mich meine Mutter, wie du aussiehst, steck dein Hemd rein, so stehst du unten vor der Haustür, wenn das einer sieht, 20 Jahre reichen nicht, 25. Ich wollte meine Mutter unterbrechen, unterbrich mich nicht , 20 Jahre, das reicht nicht, wann bist du hiergewesen, ich habe nicht nach dir gerufen, was willst du hier, dein Bruder aus dem Westen ist dagewesen und will endlich einen Zaun machen. Einen Zaun, ich sah sie an, und sie schwitzte, wischte sich die Stirn ab, kratzte ihren Hals, so wie ich ihn kratzte, wenn ich in meiner Küche sitze und auf den Baum hinausstarre und den Himmel, und nicht weiß, was ich mit mir anfangen soll. 20 Jahre, rechne mir das vor, wann du hier gewesen bist, kannst du das, bist du hier gewesen. Ich will nichts wissen. Ja. Guck dich nur um.

Ich stand vor unserem Haus, die Brennesseln reichten mir zur Brust, die Vorgartentür kaputt, der Zaun, die Haustür, die Dachrinne. Ich kann nicht mehr, schrie sie mich an, als wüßte sie, was ich dachte, ich kann nicht mehr. Das ist nicht mein Haus, das ist euer Haus, euer Haus, und keiner kümmert sich drum.

Ich bin zurückgekommen, ich stand vor unserem Haus, wie ich dann wie meine Mutter am Küchenfenster stand und in den Garten hinuntersah, der nun kein Garten mehr war, sondern voller Brennesseln und Goldrute. Die verdorrten schwarzen Kirschbäume, der zusammengebrochene Hühnerstall und der Zaun, der nicht mehr erkennbar war. Der alte Apfelbaum zerdrückte das Hühnerstalldach, so voller Äpfel hatte ich ihn nie gesehen, die Goldrute stand so dicht, daß ich mich später nicht dazwischen traute.
(Schleef, Einar, Heimkehr. Drucksache 2, Berlin 1993, S. 33 f )

Nächste Station: Spengler-Museum

 

Ich bins deine Mutter (04.11.2016)

Der Schauspieler Wolfram Koch, einer der führenden Film- und Theaterschauspieler Deutschlands und Frankfurter „Tatort“-Kommissar, gestaltet einen Solo-Abend nach 4 Erzählungen Einar Schleefs aus dem 1982 erschienenen Erzählband „Die Bande“.

Regie: Jakob Fedler
Bühne und Kostüme: Dorien Thomsen

Ich bins deine Mutter

Achtung! Leider ist die Telefonnummer der Buchhandlung nicht korrekt angegeben. Richtig ist folgende Nummer: 03464 / 572902

Kritiken:
kulturA extra (online)
WAZ
Hamburger Abendblatt
MZ Sangerhausen: Interview mit Wolfram Koch

 

 

Sachsen-Anhalt-Tag

Vom 05. bis 11. September findet im Kaffeehaus Kolditz eine Ausstellung des Einar-Schleef-Arbeitskreises statt.

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Außerdem freuen wir uns über Ihren Besuch an unserem  Stand in der Straße der Vereine an der Marienanlage.

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Schaufenster: Der Einar-Schleef-Arbeitskreis seit 2002

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Juli bis September:

Vom 8. Juli bis zum 31. August konnte der Einar-Schleef-AK ein Schaufenster in der Bahnhofstraße 7 in Sangerhausen nutzen, um seine Aktivitäten vorzustellen und über das Werk Einar Schleefs zu informieren. Am 5. September konnte der Arbeitskreis die Schaufenster des Ladens in der Göpenstr. 10 gestalten. Eine Nutzung ist bis Ende September 2016 vorgesehen.